„Verkehrswende in Hessen braucht mehr Busse“
Experten vor Landtagswahlen: 2024 entscheidendes Jahr für ÖPNV-Zukunft
Wiesbaden / Gießen / Michelstadt. Wenn die Verkehrswende – der Umstieg hin zu klimafreundlicher Mobilität – in Hessen zeitnah gelingen soll, braucht das Bundesland bereits 2024 deutlich mehr Busverkehr. Darauf hat der Landesverband Hessischer Omnibusunternehmen (LHO) bei einer Verkehrspolitik-Veranstaltung am Mittwoch (13. September) im Vorfeld der Landtagswahlen in Hessen (8. Oktober) in Wiesbaden aufmerksam gemacht. „Hessen braucht für eine gelingende Verkehrswende mehr Busse – und deshalb auch deutlich mehr Fahrpersonal. Das zeigt sich nicht nur bei der Generalsanierung der Riedbahn, wenn die Nahverkehrszüge zwischen Frankfurt und Mannheim im Jahr 2024 monatelang durch Überland- und Gelenkbusse ersetzt werden – ein Ersatzverkehr für rund 15.000 Reisende pro Tag. Sollen mehr Menschen durch ein attraktiveres Angebot vom klimaschonenden Öffentlichen Personen-Nahverkehr (ÖPNV) überzeugt werden, braucht die Busbranche in den kommenden Monaten weitsichtige Entscheidungen aus der Verkehrspolitik“, erklärte der LHO-Vorsitzende, Karl Reinhard Wissmüller (Michelstadt).
LHO: Mehr ÖPNV bringt geringeren CO2-Ausstoß
Der Verkehrssektor ist nach Überzeugung des LHO „einer der entscheidenden Bereiche, in denen in den kommenden Jahrzehnten der Ausstoß von CO2 eingespart werden muss. Der ÖPNV kann hierzu einen erheblichen Beitrag leisten – vor allem, wenn es gelingt, mehr Personen zum Umstieg auf den umweltfreundlichen Nahverkehr zu bewegen.“ Die Umstellung auf emissionsfreie Antriebe stelle die Busunternehmen in Hessen vor enorme Herausforderungen – mit Blick auf die Fahrzeugvorgaben und Ladeinfrastruktur.
Wissmüller: „Experten für die Auswahl der vor Ort geeigneten Fahrzeuge“
Wichtig sind nach den Worten Wissmüllers „Rahmenbedingungen, die mittelständischen Unternehmen im europaweiten Wettbewerb die faire Chance auf Teilhabe ermöglichen.“ Hessens Landespolitik müsse aktiv dazu beitragen, „dass auch kleinere ÖPNV-Unternehmen erhalten bleiben und damit eine Marktvielfalt weiterhin gesichert ist.“ Eine wichtige Rolle beim Finanzieren neuer Fahrzeugtypen sowie der Ladeinfrastruktur spielen Förderprogramme vom Land und vom Bund. Wegen der weiter bestehenden Mehrkosten von batterieelektrisch betriebenen Bussen bzw. Wasserstoffbussen seien diese Programme auch in den kommenden Jahren notwendig: „Entscheidend ist, dass diese Programme für kleinere und mittlere Unternehmen freundlich ausgestaltet und z. B. auch für das Beschaffen von nur wenigen Fahrzeugen zugänglich sind.“ Die Fahrzeugbeschaffung müsse auch weiterhin Aufgabe der Busunternehmen bleiben. „Denn Unternehmen können mit ihrem Wissen um die Komplexität vor Ort am besten entscheiden, welche Fahrzeuge für sie sinnvoll und wirtschaftlich einsetzbar sind“, versichert Wissmüller. Sein Gewerbe will so verhindern, „dass unternehmerische Kernbereiche entfallen und die Betriebe in letzter Konsequenz auf reine Fahrpersonalgesteller reduziert werden.“ Deshalb sollte es den Unternehmen überlassen werden, ob Sie die Tank- oder Ladeinfrastruktur selbst aufbauen, von dritten Anbietern einrichten lassen oder anmieten. Es ließen sich auch teure Fehlinvestitionen verhindern, „wenn Akteure in der Politik rechtzeitig das Gespräch mit kompetenten Fachleuten aus der Praxis suchen, die sich bei aller Begeisterung für neue Technik-Optionen den Blick für den täglichen Bedarf und das Machbare im Alltag bewahrt haben.“
Durch die in Hessen vorgeschriebene flächendeckende Ausschreibung von ÖPNV-Verkehrsleistungen blicken Busunternehmer vor allem auf die Vorgaben in den Vergabeunterlagen – insbesondere auf jene Ausschreibungen, die erstmals eine Vorgabe zum Umstellen auf alternative Antriebe vorsehen. Bei den Fahrzeugen sollten sich Auftraggeber nicht auf eine Antriebsform festlegen: Vorgegeben werden sollte lediglich nur die Beschaffung „emissionsfreier“ und „sauberer“ Fahrzeuge – so der LHO. In Hessens ÖPNV werden Verkehrsleistungen zum Teil an kleinere mittelständische Subunternehmer vergeben. Auch diese müssen beim Umstellen auf alternative Antriebe berücksichtigt werden und „faire Chancen behalten, im Markt zu bleiben“ – fordert der LHO.
Personal: „Abbau von Bürokratie – einfache Anerkennung ausländischer Führerscheine“
Die Busbranche hat mehrere Kampagnen gestartet, um mehr Fahrpersonal für die Betriebe zu gewinnen. Auch hier erhofft sich das Gewerbe eine stärkere Unterstützung durch die Politik: Etwa durch Abbau von Bürokratie und die einfachere Anerkennung von ausländischen Führerscheinen – z. B. aus der Ukraine, aus Belarus, Bulgarien und Bosnien-Herzegowina.
Vor allem in eher ländlich geprägten Regionen Hessens gelingt es Busunternehmen mit Wohnungsangeboten und Eingliederungshilfen für neue Beschäftigte, Fahrpersonal anzuwerben. Durch den wachsenden Personalbedarf durch Schienenersatzverkehre sowie im ÖPNV der Städte und Ballungsräume sehen mittelständische Busunternehmen einen steigenden Konkurrenzdruck: Vor allem bei den anstehenden Bahnstreckensanierungen mit großzügigen Projektetats müsse verhindert werden, dass kurzfristig Fahrpersonal mit Sonderkonditionen abgeworben werde. Wissmüller verweist auf Regionen in Bayern und Baden-Württemberg, in denen Busfahrpläne ausgedünnt werden müssen, weil es nicht ausreichend viele Fahrerinnen und Fahrer gebe. Gemeinsames Ziel in Hessen müsse sein, das Verkehrsangebot im ÖPNV gezielt attraktiver zu machen, damit noch mehr Menschen der Umwelt zuliebe auf Autos verzichten und das Deutschland-Ticket nutzen.
Bei der Verkehrspolitik-Veranstaltung des LHO diskutierten Landtagsabgeordnete und Verkehrspolitik-Fachleute von Bündnis 90/Die Grünen, Karin Müller, Tobias Eckert von der SPD, Oliver Stirböck von der FDP sowie für die CDU Sebastian Willsch, Referent für Verkehr, Infrastruktur und Energie im Landesvorstand der Jungen Union Hessen, über die Perspektiven des Busverkehrs des Bundeslandes. Hessen sieht sich als „das Land der Mobilität in der Mitte Deutschlands und Europas“ – hier kreuzen sich nationale, europäische und interkontinentale Wege des Luft-, Schienen- und Straßenverkehrs. Das sorgt nicht nur für Wohlstand, sondern auch für ein einzigartiges Know-how im Verkehrsmanagement, das (Motto: „Mobiles Hessen 2030“) stärker digital vernetzt, klimaschonend und leistungsfähiger gemacht werden soll.