Bad Wildungen / Gießen / Wiesbaden. „Mit fragwürdigen Konstrukten und neuen stadteigenen Töchtern versucht die Stadt Bad Wildungen (Landkreis Waldeck-Frankenberg) bei der Vergabe von Buslinien im Öffentlichen Personen-Nahverkehr (ÖPNV) Recht und Gesetz zu umgehen und dadurch mittelständische Mitbewerber vom Markt zu verdrängen“. Das kritisiert der Landesverband Hessischer Omnibusunternehmer (LHO – Sitz: Gießen).
Von geschütztem Raum aus in der Fläche nach Busleistungen streben?
Wenn Kommunen ihre Tochterunternehmen im ÖPNV vor Konkurrenz schützen und ihnen Direktvergaben in der eigenen Stadt gewähren, dürfen sie sich nach Überzeugung des Busunternehmerverbandes nicht zugleich über andere kommunale Unternehmen und Unternehmensbeteiligungen außerhalb ihres geschützten Bereiches am Wettbewerb beteiligen: „Es ist nicht hinzunehmen, wenn aus geschützten sicheren Häfen heraus außerhalb des eigenen Gebiets um Leistungen gekämpft wird, erklärt der LHO-Vorsitzende Karl-Reinhard Wissmüller (Michelstadt). Er verweist auf die aktuelle Rechtslage (Europäisches Vergaberecht), die es nicht erlaube, den freien Wettbewerb in der Heimat auszuhebeln und andernorts Anbieter aus dem Markt zu drängen.
LHO: „Mit abgefederten Krediten aus der Heimat wird Wettbewerb ausgehebelt“
Aktueller Anlass dieser Kritik: Erneut beschäftigt eine geplante Direktvergabe der Stadt Bad Wildungen an ein Tochterunternehmen die Vergabekammer Hessen (Darmstadt). Nachdem bereits der erste Versuch Anfang 2017 wegen Verstoßes gegen die Gebietsbeschränkung für unzulässig erklärt wurde, versucht es die Stadt nun mit einer neuen rechtlichen Konstruktion, die der Verband jedoch ebenfalls für nicht zulässig hält. Vergabekammern sind für die Nachprüfung der Vergabe von öffentlichen Aufträgen auf Landes- und Kommunalebene in Hessen zuständig. Hessens Busunternehmer kritisieren dabei nicht die Direktvergabe von Stadtbuslinien an eigene kommunale Unternehmen an sich, sondern parallele kommunale Tätigkeiten. Im Kern gehe es um die Frage, wie Töchter von Kommunen agieren dürfen: Wenn diese sich außerhalb ihres geschützten Bereichs am ÖPNV-Wettbewerb beteiligten, wie dies derzeit Bad Wildungen praktiziere, bestehe keine Chancengleichheit. „Eine Kommune, die parallel dazu einer weiteren kommunalen Tochter durch öffentliches Geld abgefederte Ausfallbürgschaften für Kredite in zweistelliger Millionenhöhe gewährt, damit diese außerhalb der Stadt bei Ausschreibungen mitmachen kann, hebelt den fairen Wettbewerb aus“, kritisiert Udo Diehl, Geschäftsführer der ALV Oberhessen GmbH & Co. KG aus Wetter, die stellvertretend für den LHO das Vergabeverfahren führt, um die Direktvergabe juristisch zu stoppen. Grund: Diese kommunalen Unternehmen können bei Banken (im Vergleich zu privaten Firmen) wesentlich günstigere Kredite bekommen, um (z. B.) moderne Busse zu kaufen. „Das ist ein enormer Wettbewerbsnachteil für Omnibusunternehmen, der sich bei der Bewerbung um neue Linien im ÖPNV kostenintensiv bemerkbar macht“, erläutert der LHO-Vorsitzende Karl-Reinhard Wissmüller: „Markt lebt von Marktteilnehmern. Nur so werden Wettbewerb, Qualität, vertretbare Preise für Fahrgäste und ein adäquates Angebot im Nahverkehr garantiert.“ Wissmüller betont in einer in Wiesbaden verbreiteten Erklärung: „Hessens Busunternehmer stellen sich nicht gegen Wettbewerb und auch nicht generell gegen europaweite Ausschreibungen. Gewährleistet werden muss jedoch, dass kleine wie große, mit Eigenkapital finanzierte wie fremdfinanzierte Unternehmen im Markt die gleichen Chancen haben.“
Die Praxis vieler Kommunen, Aufträge direkt und ohne Ausschreibung an ihre eigenen kommunalen Unternehmen zu vergeben, verringert den Markt für private Mittelständler. Der Verband bedauert, dass es in Hessen inzwischen zwar zahlreiche Direktvergaben an kommunale Unternehmen, aber bisher keine einzige an private Busunternehmen gebe – obwohl dies durch europäisches Recht zugelassen sei. Ferner würden bei kommunalen Direktvergaben in Hessen in aller Regel keine Subunternehmerleistungen vergeben. Der LHO fordert daher eine Anmietquote von 30 % bei kommunalen Direktvergaben, um privaten Busunternehmen auch dort Marktchancen zu erhalten. Mittelständische Busunternehmen, die heute vom Markt verschwinden, fallen bei der nächsten Ausschreibung als Bieter weg. Jeder öffentliche Auftraggeber in Hessen müsste daher mit Blick auf einen funktionierenden Wettbewerb ein elementares Interesse daran haben, dass es eine ausreichende Marktvielfalt gibt“, fordert Wissmüller.