Wiesbaden / Gießen / Michelstadt. Nun steht es auch im Hessischen Staatsanzeiger: Tariftreue ist absolute Pflicht im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV). Öffentliche Auftraggeber dürfen künftig nur noch Aufträge an Unternehmen und Bieter vergeben, die sich an repräsentative Tarifverträge halten. So sieht es das neue Hessische Vergabe- und Tariftreuegesetz (HVTG) vor. Ein Bestandteil dieser Vorgabe ist der Tarifvertrag des Landesverbandes Hessischer Omnibusunternehmer (LHO).
Busunternehmer aus Hessen bezeichnen dieses neue Gesetz als wichtigen Schritt zu gleichen Wettbewerbsbedingungen. „Endlich ist gewährleistet, dass alle Bewerber um Buslinien- und Verkehrsausschreibungen die gleichen Mindeststandards erfüllen und ihre Beschäftigten – wie im LHO-Tarifvertrag vorgesehen – angemessen bezahlen müssen“, macht Karl Reinhard Wissmüller, Vorsitzender des LHO, bei einer Fachtagung seines Busunternehmerverbandes vom 11. bis 14. Februar in Regensburg deutlich.
Faire Wettbewerbsbedingungen gab es in der Vergangenheit nicht immer. Nun haben alle Unternehmen bei der Neuvergabe von Buslinienverkehren in Hessen die gleichen tariflichen Wettbewerbsbedingungen. Das schützt Arbeitnehmer und sichert ordentlich bezahlte Arbeitsplätze. Denn öffentliche Aufträge sind für kleine und mittlere Bus-Unternehmen ein wichtiger Umsatz- und Überlebensfaktor. Angemessene Fortschreibungsklauseln fehlen. Kritisch sehen die Unternehmer die Tatsache, dass in das Gesetz keine Lohnkostenanpassung aufgenommen wurde. Denn auf der einen Seite verpflichtet das Gesetz die Betreiber, tarifliche Entwicklungen über viele Jahre nachzuvollziehen, auf der anderen Seite fehlt jedoch eine entsprechende Preisanpassungsklausel.
Folge: Die Unternehmen bleiben während der Dauer eines Vertrages mit den öffentlichen Auftraggebern auf den steigenden Lohnkosten sitzen, die zwischen den Tarifpartnern aus Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern geschlossen werden. Bisher gibt es vom Gesetzgeber lediglich eine Empfehlung, dass „die Besteller den Unternehmen … einen Ausgleich gewähren“. Dieser besteht derzeit allenfalls als Anpassung an einen Fremdindex, der jedoch losgelöst von der LHO-Tarifentwicklung ist und ein zu enges Korsett bildet. Mit Blick auf die bevorstehenden Tarifverhandlungen im Sommer 2016 appellieren Hessens Busunternehmer, nach Lösungen zu suchen, um die Risiken von tariflichen Erhöhungen bei langlaufenden Verträgen abzufedern. Diese Fortschreibungsklauseln müssten das Ansteigen von Tariflöhnen stärker berücksichtigen, wenn während des Vertragszeitraumes neue Mantel- oder Lohntarifverträge für deutlich höhere Lohnkosten sorgen. Richtig!
Keine Maut für den Bus „Eine Mautpflicht für Reisebusse in Deutschland lässt sich ordnungspolitisch nicht begründen. Sie wäre unsozial, unfair und umweltschädlich“, erklärt Wissmüller, selbst Busunternehmer im südhessischen Michelstadt. Ein Reisebus ersetzt 30 Autos auf der Straße. Er gilt mit Blick auf den Energieverbrauch pro beförderten Fahrgast als das ökologischste Verkehrsmittel. Reisebusse fahren im Gegensatz zur Bahn ohne staatliche Subventionen, zahlen Kfz- und Mineralölsteuer und kommen damit für die Nutzung der Straßen auf. Bei allen anderen Fahrzeugen, die eine Maut zahlen oder künftig zahlen sollen, sind Ausgleichsmaßnahmen vorgesehen. Die Pkw-Maut soll mit der Kfz-Steuer ausgeglichen werden, für die Lkw-Maut waren im Bundeshaushalt 2015 sogar 546,6 Millionen Euro Ausgleichszahlungen vorgesehen.
Busfahren: Eine junge, umweltfreundliche und nachhaltige Mobilität Von einer Busmaut wäre künftig nicht nur der Fernbus betroffen, sondern auch der Reisebus. Eine Maut würde vor allem einkommensschwache junge Leute und Senioren treffen. Sie sind es, die den Fernbus und den Reisebus als günstiges Transportmittel für sich entdeckt haben und zu vertretbaren Kosten mobil sein wollen.