Hessens Busunternehmer-Verband wird 50 und setzt auf nachhaltige Mobilität
Wiesbaden / Gießen / Gründau / Michelstadt. 50 Jahre – ein halbes Jahrhundert: Der Landesverband Hessischer Omnibusunternehmen (LHO) feiert Geburtstag und thematisiert die Zukunftsperspektiven der Branche. Sie wünscht sich bessere Rahmenbedingungen, damit das Tempo bei Klimaschutz und Mobilitätswende erhöht werden kann. „Damit die Verkehrswende gelingt und der Klimaschutz so rasch verbessert werden kann, muss das Busfahren spürbar noch attraktiver werden: Mit mehr – am wachsenden Interesse – orientierten Fahrten, neuen Linien, emissionsarmen Fahrzeugen, digitaler Unterstützung und einer nachhaltig-klugen Verkehrspolitik,“ erklärte Karl Reinhard Wissmüller (Michelstadt / Odenwald), Vorsitzender des LHO (Sitz: Gießen) bei der Feier des 50-jährigen Bestehens in Gründau (Main-Kinzig-Kreis).
Verkehrsminister: Private Busunternehmen integraler Bestandteil des ÖPNV
Hessens Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen, Tarek Al-Wazir, verwies in einem Grußwort auf die tiefgreifenden Veränderungen der Mobilität und die Aufgabe, das Verkehrssystem – mit Blick auf die Klima-Erwärmung – nachhaltig zu machen: „Dies wird ohne einen starken und leistungsfähigen Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) nicht gelingen. Ein flächendeckendes Angebot aufrechtzuerhalten, wird jedoch wegen des Bevölkerungswandels zu einer wachsenden Herausforderung.“ Die privaten Busunternehmen sind nach den Worten des Ministers „ein integraler Bestandteil des hessischen ÖPNV“: „Vor allem im ländlichen Raum und bei der Schülerbeförderung sind wir auf die privaten Busunternehmen mit ihren rund 3.000 Fahrzeugen und 5.000 Beschäftigten angewiesen“. Im Gegenzug setze sich das Land für die erforderliche Unterstützung der Branche ein – „auch mit dem Ziel, dass auch kleinere Unternehmen ihren Fuhrpark auf alternative Antriebe umstellen und sich die notwendigen Investitionen auf ihren Betriebshöfen leisten können“, versicherte Tarek Al Wazir.
Busse sind nach Überzeugung des LHO-Vorsitzenden Wissmüller aufgrund ihres flexiblen, flotten Einsatzes ein idealer Bestandteil für einen passgenauen ÖPNV und ein umweltschonendes Reisen. Wünsche von Fahrgästen und öffentlichen Auftraggebern können in der Regel spätestens zum nächsten Fahrplanwechsel erfüllt werden. Deshalb sei es wichtig, die meist von Familien geführten Busunternehmen zu stützen und sie am Markt zu halten. Dies war in den vergangenen Jahren wegen der Corona-Krise nicht einfach: Fast alle Busunternehmen haben im Krisenmodus gearbeitet. „Nur wenige Wirtschaftsbereiche sind von Corona, dem Ausfall jeglicher Busreisen und dem dramatischen Anstieg des Dieselpreises um 70 Prozent so hart getroffen und in ihrer Existenz gefährdet, wie die mittelständische Busbranche“, erklärt Wissmüller.
Nachhaltige Mobilität gelingt mit dem Bus
Busunternehmen im ÖPNV bekommen Liquiditätsprobleme, wenn die exorbitant gestiegenen Dieselkosten erst in einem Jahr über die bisher übliche Preisfortschreibung ausgeglichen werden würden: „Die Unternehmen können dies nicht über längere Zeit vorfinanzieren“, warnte Wissmüller. Auch im Reiseverkehr könnten stark steigende Kosten nicht einfach an Kunden weitergegeben werden. Die ganze Branche brauche dringend eine Entlastung. Die Energiesteuern müssten weiter gesenkt werden. Auch eine temporäre Senkung des CO2-Preises für Busunternehmen könne der Branche beim Überleben helfen. „Laut Umweltbundesamt hat der Bus unter allen motorisierten Verkehrsmitteln die beste Klimabilanz. Wir wünschen uns deshalb für den Reisebus eine Gleichstellung mit der Bahn – bei den Steuern“, fordert der LHO-Vorsitzende.
Busse sollen gleichzeitig wenig kosten, mehr Fahrgäste anlocken, ihre Angebote ausweiten und so die Verkehrswende vorantreiben. Dies lasse sich mit den aktuell zur Verfügung stehenden Mitteln kaum miteinander vereinbaren: „Wenn der ÖPNV gestärkt werden soll, Busse zu mehr Mobilität beitragen und die Fahrgastzahlen steigen sollen, braucht es mehr Fahrzeuge, mehr Fahrerinnen und Fahrer und eine langfristig sicher gestellte Finanzierung.“
Wissmüller: „Klimaschutz braucht Antriebswende“
Hessens Busunternehmen wollen die Antriebswende hin zu einem noch umweltfreundlicheren Verkehr stemmen. Busse mit alternativen Antrieben sollen vermehrt eingesetzt werden. Dabei macht der Verband deutlich: Das Beschaffen der Fahrzeuge und das Bereitstellen der Ladeinfrastruktur muss originäre Aufgabe der Unternehmen bleiben. Busunternehmen im ÖPNV sollen auch in Zukunft mehr sein als reine Personalverwalter für öffentliche Auftraggeber. Fahrzeug-Vorhaltegesellschaften der öffentlichen Hand würden Busunternehmen die wirtschaftliche Grundlage entreißen und seien keine Lösung für den ÖPNV. Förderprogramme von Bund und Land sollten deshalb unbedingt auch auf kleinere Busbetriebe ausgerichtet sein – so der LHO.
Wichtig für mittelständische Busunternehmen sind faire Ausschreibungsbedingungen und Beteiligungschancen, um langfristig für den ÖPNV genügend Anbieter am Markt zu erhalten. Bei Ausschreibungen in Hessen müssten Unternehmen jeder Größe im Wettbewerb eine Chance haben. Mehr funktionale Elemente in Ausschreibungen, die das Know-how der Unternehmen vor Ort einbeziehen, käme Fahrgästen und Auftraggebern zugute. Eine Subunternehmerquote von 30 Prozent bei größeren Bündeln und bei Direktvergaben sowie Zuschnitt und Größe von Linienbündeln spielen dabei eine wichtige Rolle. Wenn Aufgabenträger nur riesige Linienbündel europaweit ausschreiben, kommen die Busunternehmer*innen vor Ort kaum zum Zuge.
Verkehrswende braucht mehr Busfahrer:innen
Es werden enorme Anstrengungen nötig sein, um die für den ÖPNV-Ausbau erforderlichen Fahrerinnen und Fahrer zu gewinnen. Der LHO werde auch künftig mit den Tarifpartnern daran arbeiten, faire und verlässliche Arbeitsbedingungen zu schaffen. Die 2021 vereinbarte betriebliche Altersvorsorge für Hessens Buspersonal „BusRente Hessen“ gilt im deutschen Busgewerbe als vorbildliche Branchenlösung.
Eine weitere Hürde: Aufwand und Kosten für den Erwerb des Busführerscheins in Deutschland in Höhe von rund 10.000 Euro seien zu hoch, die Anerkennung von Führerscheinen aus Nicht-EU-Ländern hindernisreich.
Heute bilden mittelständische Busunternehmen das Rückgrat des ÖPNV in der Fläche und für die Schülerbeförderung. Sie helfen bei Krisen wie in der Ukraine, fahren Schienenersatzverkehre, befördern Vereine, Schulklassen und Einzelreisende zu nahen und fernen Zielen. Sie sind nicht nur Wirtschaftsteilnehmer, sondern erfüllen eine wichtige Funktion für die nachhaltige, klimaschützende und preiswerte Mobilität von Menschen. Zur Jubiläumsveranstaltung am Wochenende (6. Mai) waren auch Staatssekretär Jens Deutschendorf (Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen) sowie Kai Neumann vom Bundesverband deutscher Omnibusunternehmen (bdo) nach Gründau gekommen, um Grußworte zu sprechen. Moderator Jörn Gereon („Die Potentialwecker“) hielt vor den Bundesnehmerinnen und Busunternehmern einen Vortrag zum Thema: „Zukunft als Chance oder Krise – wie unsere Einstellung unseren Alltag bestimmt.“