„Hilft Finanzkrise dem Mittelstand?"
Busunternehmer-Verband: „Eins plus eins ist wieder zwei!"
Wiesbaden/Langenselbold. Die Finanz- und Wirtschaftskrise treibt scheinbar kuriose Blüten: Der Landesverband Hessischer Omnibusunternehmer e.V. (LHO) erwartet – gerade wegen der aktuellen wirtschaftlichen Turbulenzen – mehr Chancen für faireren Wettbewerb in Hessen und damit bessere Möglichkeiten für den Mittelstand in Hessen, Ausschreibungen im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) zu gewinnen.
„Die weltweite Finanzkrise ist eine Überlebenshilfe für mittelständische Busunternehmer in Hessen", erklärte Karl Reinhard Wissmüller, Vorsitzender des Omnibusverbandes Hessen am Wochenende bei der Jahrestagung seines Verbandes in Langenselbold. Seit dem Beginn des Wettbewerbs 2002 und der Ausschreibung von Busfahrleistungen im ÖPNV in Hessen hatten internationale Konzerne den Markt bestimmt. Strategische Preise und Dumpingangebote – von Konzernmüttern querfinanziert – führten zum Ausschluss von Unternehmen mit soliden Kalkulationen. 25 Prozent der ehemaligen Marktteilnehmer sind seitdem von der Bildfläche verschwunden. Die aktuelle Finanzkrise lässt nun die finanziellen Spielräume der Global Player schrumpfen. „Eins plus eins ist wieder zwei", weiß Wissmüller, selbst Busunternehmer in Michelstadt (Odenwald), „Kleine Unternehmen haben wieder eine Chance mit realistischen Kalkulationen bei Ausschreibungen mitzumachen." Marktanteile könne man sich nicht mehr durch strategische Preise erkaufen.
„Private inhabergeführte Busunternehmer gehören in Hessen bislang noch zu den Verlierern des Ausschreibungswettbewerbs", machte Wissmüller vor rund 150 Verkehrsexperten und Busunternehmern deutlich. Dies bestätigt auch ein Gutachten, über das während der Jahrestagung mit den verkehrspolitischen Sprechern der Fraktionen im Wiesbadener Landtag diskutiert wurde.
Familienunternehmen müssten nach wie vor mit schlechteren Kreditkonditionen auskommen als Konzerne und die durch kommunale Bürgschaften unterstützten städtischen Verkehrsbetriebe. Deshalb hoffen die hessischen Omnibusunternehmer auf gezielte Mittelstandsförderung mit Hilfe von Landesbürgschaften und damit Chancengleichheit bei Finanzierungsverhandlungen.
Der Marktanteil kleinerer Omnibusunternehmen hat sich erheblich verringert und geht zunächst weiter zurück. Schmerzhaft mache sich dies bereits in einigen Regionen im Norden Hessens deutlich, wo es nur noch eine geringe Anzahl von Unternehmen gebe, die sich an einer Ausschreibung beteiligen könnten. Einige Jahre sei es manchen öffentlichen Aufgabenträgern nur darum gegangen, möglichst viel Geld zu sparen. „Auf der Strecke blieben Qualität, Know-how, Fahrgäste und private Busunternehmen." Die Gutachter erwarten weitere „Marktaustritte von bisher erfolgreichen Mittelständlern" und Wissmüller warnt: „Wettbewerb funktioniert nur mit Marktteilnehmern."
„Wettbewerb funktioniert nur mit Marktteilnehmern."
Wer Ausschreibungen gewinnen möchte, muss kontinuierlich in zeitgemäße und umweltfreundliche Bustechnik investieren. Unternehmer, die während der Weltmeisterschaft 2006 in „damals" modernste Bustechnik (Euronorm III) investierten, dürfen mit diesen Bussen 2010 nicht mehr nach Berlin, 2012 nicht mehr nach Frankfurt fahren. Das stellt für viele Bustouristikunternehmen eine Existenz bedrohende Situation dar. „Die nur drei Jahre jungen Busse verlieren überproportional an Wert. Ein neuer Bus ist angesichts der im Wettbewerb zu erzielenden Preise mit ihrer durchschnittlich geringen Rendite ein ungebrochen hohes Finanzrisiko", verdeutlicht der stellvertretende Vorsitzende Gerhard Sippel. Mancher Kollege frage sich, ob er die bisher für Touristen oder Messebesucher attraktiven Städte mit ihren Umweltzonen überhaupt noch anfahren solle.
Die aktuelle Kreditpolitik von Banken lässt privaten Busunternehmen in Hessen zudem kaum Chancen, sich im Wettbewerb mit „Global Playern" oder den kommunalen Verkehrsbetrieben zu behaupten. „Es gibt enorme Defizite bei der Finanzierung", weiß Wissmüller. Inhabergeführte Familienunternehmen müssten durchweg mit schlechteren Kreditkonditionen auskommen, als die multinationalen Konzerne und die durch kommunale Bürgschaften unterstützten städtischen Verkehrsbetriebe. Bei so viel Ungleichheit könne nicht von fairen Voraussetzungen im Wettbewerb gesprochen werden.
„Wer sich mit seiner ganzen Kraft im eigenen Betrieb engagiert, plant mit einer langen Perspektive. Gerade in einer Wirtschaftskrise kommt es auf verlässliche Tugenden mittelständischer und inhabergeführter Betriebe an, die Unterstützung verdienen", fordert der LHO. Auch den öffentlichen Aufgaben- bzw. Auftraggebern falle dabei eine entscheidende Rolle zu. Wenn die von Verkehrsverbünden geforderte Pünktlichkeit von Bussen wichtiger sei als das Mitnehmen oder Beraten von Fahrgästen (Unpünktlichkeit wird durch ein Bonus-/Malussystem bestraft) dann bleiben Fahrgäste auf der Strecke. Die hessischen Busunternehmer hoffen auf ein neues Denken, „nicht mehr der Billigste fährt, egal zu welcher Qualität", und sie hoffen auf Unterstützung durch die Aufgabenträger: Wer einem verlässlichen Partner eine Chance geben will, muss entsprechende Voraussetzungen schaffen, ihm eine Teilnahme am Wettbewerb zu ermöglichen", erklärt der Omnibusverband. Dies beginne beim Reduzieren von ausgeschriebenen Losgrößen, so der Vorsitzende Wissmüller. Diese waren bisher oft in einer Größenordnung, dass Mittelständler nicht in der Lage waren, ein Angebot abzugeben.
Mit der Veranstaltung in Langenselbold zeigte der LHO seinen Mitgliedern Handlungsalternativen zur Zukunftsorientierung ihrer Unternehmen auf. Hoffnung – trotz schwieriger politischer und finanzieller Rahmenbedingungen sieht Wissmüller in der Bereitschaft von unternehmerisch denkenden Busunternehmern durch engere Kooperationen mit Kollegen im Wettbewerb mithalten zu können. Diese Forderung nach Zusammenarbeit unterstrich Professor D. Harald Bartl (FH Worms, Fachbereich Touristik-Verkehrswesen) bei seinem Vortrag mit einem Augenzwinkern: „Es ist sinnvoller, mit dem Mitbewerber die Anwaltskosten zu versaufen, als zu prozessieren." Familienunternehmen seien die Wurzeln der Gesellschaft.
„Wenn wir unsere Kräfte bündeln und uns Konjunktur, Politik und Aufgabenträger ein bisschen helfen, sehe ich den kommenden Jahren auch Anlass zu Zuversicht", bekräftigt der LHO-Landesvorsitzende.
Der Landesverband Hessischer Omnibusunternehmer (LHO) e.V. mit Sitz in Gießen ist der Spitzenverband des privaten Omnibusgewerbes. Er hat sich Ende 2007 mit dem Fachverband Omnibusverkehr Hessen e.V. (Kassel) zum „Omnibusverband Hessen e.V." (OVH) zusammengeschlossen, um die Interessen der hessischen Busunternehmer im Reisebusverkehr und im Öffentlichen Nahverkehr gemeinsam zu vertreten. Der OVH bereitet während einer Übergangszeit von zwei Jahren die Fusion der beiden Altverbände vor und vertritt künftig die Interessen von etwa 250 hessischen Omnibusbetrieben, die mit rund 3000 Bussen unterwegs sind. Er berät seine Mitglieder in rechtlichen Fragen, vertritt diese in politischen Diskussionen und Verhandlungen mit Behörden und Institutionen, organisiert Schulungen und Sicherheitstrainings für Busfahrer. Verbandsvorsitzender ist der Vorsitzende des Landesverbandes Hessischer Omnibusunternehmer e.V. (LHO), Karl Reinhard Wissmüller (Michelstadt).