Hessens aktuelle Verkehrspolitik benachteiligt mittelständische Busunternehmen und deren Mitarbeiter. Mit Blick auf die bevorstehende Novellierung des Gesetzes für den Öffentlichen Personen-Nahverkehr (ÖPNV) fordern Omnibusunternehmer in ihrem Bundesland eine faire Verkehrspolitik. Bei der Wintertagung des Landesverbandes Hessischer Omnibusunternehmer (02. bis 05. Februar) diskutieren Busunternehmer mit Verkehrsexperten über aktuelle Herausforderungen und Perspektiven für den ÖPNV und die Bustouristik.
Zunehmend klamme öffentliche Kassen bremsen Hessens Busunternehmen aus, die vor allem in ländlich strukturierten Gebieten Hessens befürchten, dass die kommunalen Auftraggeber Verkehrsleistungen reduzieren werden. Mittelständischen Busunternehmen, Rückgrat des ÖPNV, geht die Existenzgrundlage verloren.
„Wenn Unternehmen jedoch einmal vom Markt verschwunden sind, kommen sie in der Regel nicht wieder“, betont Karl Reinhard Wissmüller, Vorsitzender des LHO (Michelstadt). Markt könne nur mit Marktteilnehmern funktionieren. Um die Angebotsvielfalt zu erhalten, müssten die Rahmenbedingungen stimmen. Beispiele dafür seien die Größe der ausgeschriebenen Lose sowie die zeitliche Staffelung von Ausschreibungen.
Dabei bestätigte das Statistische Bundesamt erst vor wenigen Tagen die steigende Akzeptanz von Bussen als öffentliches Verkehrsmittel. Nach den vorläufigen Angaben des Bundesamtes wurden im Jahr 2011 rund 10,8 Milliarden Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln im Nahverkehr unternommen. Das sind 0,4 Prozent mehr als noch im Vorjahr. Per Bus fuhren gut 5,3 Milliarden Menschen, ein Plus von 0,2 Prozent. Karl Reinhard Wissmüller, selbst Busunternehmer im strukturschwachen Odenwald, hofft darum auf die Weitsicht hessischer Verkehrspolitiker und auf das neue ÖPNV-Gesetz.
Bisher werden in Hessen Verkehrsleistungen fast ausschließlich über europaweite Ausschreibungen vergeben. Dieser nur im Bundesland geltende hessische Sonderweg hat vor allem kleine inhabergeführte Unternehmen getroffen, die im knallharten Preiswettbewerb nicht mithalten konnten und einstige Aufträge verloren haben. Viele dieser Unternehmen haben in den vergangenen Jahren dicht gemacht, Mitarbeiter mussten entlassen werden.
Der LHO (Gießen) plädiert dafür, nicht allein auf den Ausschreibungswettbewerb zu setzen, sondern alternative Vergabemöglichkeiten zu berücksichtigen. So lässt seit zwei Jahren – bei geringeren Verkehrsleistungen und kleinem Auftragsvolumen – eine geltende EU-Verordnung auch die Direktvergabe an kleine und mittlere Unternehmen zu. Wissmüller ergänzt: „Dies könnte für die Auftraggeber, also Städte und Kommunen, kostengünstiger sein als aufwändige, europaweite Ausschreibungen.“ Auch eigenwirtschaftlich betriebene Buslinien sollten künftig weiterhin möglich sein, bei denen Unternehmen auf eigenes Risiko Verkehre nur mittels Fahrgeldeinnahmen und Ausgleichsleistungen für Schüler und Auszubildende erbringen. Beides sind Chancen für Mittelständler, am Markt zu überleben. Für Verkehrsplaner in den Amtsstuben eine gewinnbringende Lösung, da Experten vor Ort ihr Know-how für einen qualitativ hochwertigen Verkehr einbringen und schneller individuelle Lösungen für Fahrgäste parat haben als international operierende Konzerne.
Mittelalterlicher Brückenzoll – Vorbild für Umweltzone?
Was im Mittelalter der Brückenzoll von Städten an den Handelswegen, ist heute die Umweltplakette: Wer rein will in die Stadt muss zahlen. Für den Reiseverkehr bedeutet dies eine hohe Hürde. Seit Beginn des Jahres dürfen Busse nur noch mit grüner Plakette in die Innenstadt von Frankfurt einfahren. Betroffen sind junge Fahrzeuge, die bis Ende 2006 ausgeliefert, als sogenannte Euro-3-Busse auf dem aktuellsten Stand der Technik waren und steuerlich in der Regel noch nicht abgeschrieben sind. Bei Nachrüstungskosten von bis zu 10.000 Euro pro Bus kann ein Unternehmen in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten. „Während am Himmel subventionierte Flugzeuge über die Stadt donnern und enorme Schadstoffe ausstoßen, müssen Schülerfahrten zu Museen oder ins Theater abgesagt werden, weil die Euro-3-Busse nicht mehr einfahren dürfen. Dabei ist der Bus das umweltfreundlichste Verkehrsmittel“, betont Wissmüller. Der LHO fordert daher Übergangsregelungen bis zum Ende der Abschreibungsfristen und ergänzend einheitliche bundesweite Regeln für die Einfahrt in die Umweltzonen. „Wenn Sie in Berlin eine Ausnahmegenehmigung zur Einfahrt erhalten, gilt diese nicht in Frankfurt am Main und umgekehrt. Wir haben es mit einem realitätsfernen bürokratischen Flickenteppich zu tun, der eine Belastung für die Unternehmen ist“, so Wissmüller.