Seit Jahren ringen Unternehmen, Verbände und die hessische Staatsregierung um eine verbindliche Rechtsauffassung bei der Genehmigung von ÖPNV-Verkehren. Das Bundesland Hessen schlug dabei einen fehlerhaften juristischen Weg ein, dem in wenigen Jahren rund 30 Prozent aller hessischen Unternehmen zum Opfer fielen. Nunmehr bestätigte das Bundesverwaltungsgericht in letzter Instanz die Rechtsauffassung des bdo, wonach unternehmensinitiierte Verkehre immer Vorrang vor anderen Verkehren haben. Der bdo appelliert daher wiederholt an die hessische Landesregierung endlich die nötige Kurskorrektur vorzunehmen.
Nunmehr ist es höchstrichterlich bestätigt: Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat entschieden, dass unternehmensinitiierte Anträge nach 13 Personenbeförderungsgesetz (PBefG) stets vorrangig zu behandeln sind. Sie sind auch dann nicht ausgeschlossen, wenn sich der Aufgabenträger für eine europaweite Ausschreibung entschieden oder gar bereits durchgeführt hat. Eine europaweite Ausschreibung nach Kartellwettbewerb stünde immer bereits auf der 2. Stufe und sei nicht geeignet herauszufinden, ob auf der 1. Stufe bereits Unternehmen bereit seien, den Verkehr eigenwirtschaftlich zu erbringen, so die mündliche Argumentation des BVerwG. Das BVerwG bestätigt damit die Rechtsauffassung des bdo vollumfänglich.
Dem Rechtsstreit vorausgegangen war ein nunmehr höchstrichterlich für fehlerhaft erklärtes Rechtsgutachten der kcw GmbH, dem das Bundesland Hessen im sog. Güttler-Erlass I 2004 folgte. Dieser legte fest, dass bisher eigenwirtschaftlich gem. § 13 PBefG genehmigte Verkehre ihren Status als eigenwirtschaftlich verlieren, sobald sie Finanzmittel nach § 45a PBefG oder § 145 ff. SGB IV, also Schüler- und Schwerbehindertenausgleichszahlungen erhalten. Damit wurden die Genehmigungsbehörden angewiesen, diese Art von Verkehren zukünftig nicht mehr gem. § 13 PBefG zu genehmigen, sondern eine Genehmigung nur noch gem. § 13a PBefG nach vorangegangener europaweiter Ausschreibung im Rahmen eines Kartellwettbewerbsverfahrens durch den Aufgabenträger als gemeinwirtschaftlich zu erteilen.
Der bdo und seine hessischen Landesverbände warnten immer wieder davor, diese rechtliche Position umzusetzen, da damit bewährte mittelständische Strukturen zusammenbrechen. Nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahre 2006 musste die hessische Landesregierung von dieser Sichtweise abrücken und legte fest, unter welchen Bedingnugen eigenwirtschaftliche Anträge genehnmigt werden können (Gütter-III-Erlass)
Während noch das Verwaltungsgericht Gießen in der Unterinstanz die Klagen der Musterkläger abwies, erklärte der Verwaltungsgerichtshof Kassel die Berufung für zulässig. Dabei erkannte er bereits an, dass die Eigenwirtschaftlichkeit nicht durch die Erteilung von Zuschüssen in Frage zu stellen ist. Es schloss sich damit der Entscheidung des BVerwG vom 19. Juni 2006 an, welches eine „gestufte Konstruktion“ und damit einen eindeutigen Vorrang eigenwirtschaftlicher Verkehre festlegte. Das BVerwG unterstrich dies jetzt mit Nachdruck.
Der bdo wertet den positiven Ausgang der Musterverfahren als weiteren wichtigen Schritt in Richtung Erhalt der mittelständischen Omnibusunternehmerstrukturen in Deutschland. Zudem bestätigt er die Entscheidung der alten Bundesregierung, von einem Paradigmenwechsel im Rahmen einer PBefG-Novellierung Abstand zu nehmen sowie die in der Koalitionsvereinbarung der neuen Regierung getroffenen Aussagen zum Vorrang kommerzieller Verkehre.
Gleichzeitig fordert der bdo eine Abkehr des hessischen Sonderweges. Die beabsichtigte Novellierung des hessischen ÖPNV-Gesetzes schreibt den Güttler-Erlass im Ergebnis fort. Danach wird den Unternehmen wiederholt die Möglichkeit genommen, eigenwirtschaftliche, bzw. ab dem 3. Dezember kommerzielle Verkehre vorrangig betreiben zu dürfen. Auch dieser neue Vorstoß der schwarz-gelben Landesregierung ist gewerbepolitisch absolut fatal und steht nicht im Einklang mit dem geltenden PBefG, dem deutschen Grundgesetz und mit der in wenigen Wochen in Kraft tretenden EGVO 1370/07. Fest überzeugt davon ist der bdo, dass nach den Aussagen der obersten Bundesverwaltungsrichter die Novellierung des hessischen ÖPNV-Gesetzes angepasst wird.